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Interview mit Brustkrebs-Patientin

Moderatorin Anja Caspary: »Mein Leben ohne Brüste

Anja Caspary
Mit 50 erkrankte Anja Caspary an Brustkrebs und ließ sich in der Folge beide Brüste abnehmen – eine Entscheidung, die sie bis heute nicht bereut. Foto: Anette Apel

29.11.2021, 06:17 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Anja Caspary war 50, als sie 2015 die Schockdiagnose bekam: Tumore in beiden Brüsten. Die „radioeins“-Moderatorin entschied sich für eine Amputation, obwohl die medizinisch nicht notwendig war. Warum sie dennoch diesen drastischen Schritt ging und was das mit ihr machte, erzählt sie im STYLEBOOK-Interview.

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STYLEBOOK: Was hat dich dazu bewogen, beide Brüste abnehmen zu lassen? 

Anja Caspary: „Ich wollte unbedingt gesund werden und ich wollte meinem Körper nicht unnötig schaden. Die Alternative wäre gewesen, nur die Knoten aus der Brust entfernen zu lassen. Dann hätte ich aber anschließend eine Bestrahlung gebraucht. Die wiederum ist krebserregend, denn sie schädigt nicht nur Krebszellen, sondern auch gesunde Zellen. Das finde ich total absurd. Ich habe den Eindruck, dass Ärzte unbedingt die Brüste erhalten wollen, weil sie glauben, dass Frauen ohne ihre Brüste nicht leben können. Ich finde aber, dass man Frauen nicht in eine bestimmte Richtung drängen darf, sondern ihnen alle Möglichkeiten aufzeigen sollte.“

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STYLEBOOK: Wie hat dein Arzt deine Entscheidung aufgenommen?

„Mein Arzt hat erst mal geschwiegen, als ich ihm klipp und klar sagte: „Ich möchte, dass Sie mir die Brüste abnehmen.“ Ich bin an dem Tag extra ohne meinen Mann hingegangen. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass sich mein Arzt mit ihm verbrüdert, nach dem Motto: „Sie wollen doch sicherlich, dass Ihre Frau ihre Brüste behält? Sprechen Sie man noch mal in Ruhe darüber.“ Mein Arzt konnte also gar nicht anders und sagte dann: „Gut, wenn Sie das so wollen, machen wir das.““

Anja Caspary über Brustkrebs-Erfahrung: »Meine Brüste kamen mir wie Verräter vor


STYLEBOOK: Warum wolltest du dir die Brust nicht wieder aufbauen lassen?

„Meine Brüste waren schon ganz schick. Meinem Mann haben sie nach all den Jahren auch noch immer sehr gefallen. Ihren Zweck hatten sie aber eigentlich erfüllt. Ich habe zwei Kinder mit meinen Brüsten gestillt. Und ehrlicherweise mochte ich meine Brüste auch nicht mehr wirklich. Sie kamen mir wie Verräter vor. Ich habe mich immer gesund ernährt, Sport getrieben, keine Schmerzmittel und keine Pille eingenommen – und dann bekomme ich Brustkrebs in beiden Brüsten und merke es nicht mal? Das hat mein Verhältnis zu meinen Brüsten deutlich abgekühlt. Mir war anfangs auch nicht ganz klar, was mit Brustaufbau genau gemeint ist. Man kann das mit Eigenfett machen oder indem man Silikonkissen einsetzt. Letzteres war für mich völlig ausgeschlossen. Ich lasse mir kein Plastik unter die Haut setzen. Brustaufbau mit Eigenfett war nicht möglich, weil ich nicht genügend davon hatte. Ich hätte es aber sowieso nicht gemacht. Jede Operation ist ein Risiko für den Körper. Und wenn ich es vermeiden kann, tue ich es.“

STYLEBOOK: Wie ging es dir vor und nach der OP?

„Ich habe in der Nacht vorher sehr um meine Brüste geweint. Sie waren trotz allem ja ein Teil von mir. Nach der OP habe ich auch ganz schön viel geweint. Ich hatte aber viel Rückhalt in meiner Familie. Meine Tochter meinte: „Wenn du jetzt keine Brüste mehr hast und richtig flach bist, wirst du noch muskulöser aussehen. Du siehst dann aus wie eine echte Amazone.“ Und mein Mann hat gesagt: „Es ist völlig egal, wenn da jetzt keine Brüste mehr sind. Es tut deiner Schönheit keinen Abbruch.““

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STYLEBOOK: Hast du die OP je bereut?

„Es ist natürlich schon alles nicht ganz einfach. Statt Brüste hat man plötzlich Narben. Meine Narben gehen einmal quer über den Brustkorb. Anfangs waren sie sehr wulstig und rot. Irgendwann lässt das aber nach. Ich fühle mich nach wie vor als vollwertige Frau. Daran hat sich nichts geändert. Wenn ich neue Leute kennenlerne, hatte ich noch nie das Gefühl, dass sie mir auf die Brust starren und die Stirn runzeln. Ich glaube, die meisten merken gar nicht, dass ich keine Brüste habe. Oder sie denken: „Die Arme, die hat ja nicht viel.““

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STYLEBOOK: Dein Selbstvertrauen hat also nicht darunter gelitten?

„Nein, ich gehe weiterhin in die Sauna, ich mache auch nach wie vor FKK. Klar, die Leute gucken, aber mir ist das egal. Vielleicht ist es sogar leichter, sich ohne Brüste in der Öffentlichkeit zu zeigen als mit Brüsten, die nicht perfekt sind und derer man sich schämt. Es hat auch sein Gutes: Nix wackelt mehr, ich muss nie mehr einen BH tragen und auch Sport macht ohne Brüste viel mehr Spaß.


STYLEBOOK: Fehlt dir wirklich nichts?

„Ich konnte wegen des Krebses auch meine Brustwarzen nicht behalten. Bei mir ist also alles weg – die Brustwarzen und damit auch die Nerven, die darin enden. Wenn ich einen Orgasmus habe, spüre ich dort überhaupt nichts mehr. Natürlich kann ich auch ohne diese Stimulation tolle Orgasmen haben, aber das fehlt mir schon.“

STYLEBOOK: Was rätst du anderen Frauen?

„Wer wie ich die Wahl zwischen Brustabnahme und Bestrahlung hat, sollte sich das gut überlegen. Sich beide Brüste abnehmen zu lassen, ist ein drastischer Schritt. Unsichere Frauen oder Frauen, die ihre Weiblichkeit über ihre Brüste definieren, sollten vielleicht besser versuchen, die Brüste zu erhalten. Am Ende muss man für sich entscheiden, was einem wichtiger ist: Gesundheit oder Brüste?“

Anja Caspary hat ein bewegendes Buch über ihre Brustkrebs-Erfahrung und die schwerste Zeit in ihrem Leben geschrieben: „In meinem Herzen steckt ein Speer“.

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Themen Brustkrebs
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