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Kritik an Beauty- und Fashionunternehmen

Rainbow Washing! Was sich am „Pride Month“ ändern muss

Worum es eigentlich im Pride Month gehen sollte – so zu l(i)eben, wie man möchte
Worum es eigentlich im Pride Month gehen sollte – so zu l(i)eben, wie man möchte Foto: STYLEBOOK

16.06.2023, 11:37 Uhr | Lesezeit: 9 Minuten

Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau und Violett – diese Farben sieht man im „Pride Month“ Juni überall. Zum Beispiel auf Flaggen beim Christopher Street Day oder auf Aufklebern, die Menschen, die sich aktivistisch engagieren, auf Straßenlaternen kleben. Und interessanterweise auch auf Shirts, Gesichtscremes und vielen weiteren Produkten aus der Mode- und Beauty-Branche. Und das ist nicht erst seit gestern so. Und langsam ziehen Unternehmen Konsequenzen aus den Shitstorms der letzten Jahre. Welche genau und was noch einmal hinter dem Begriff „Rainbow Washing“ steckt, lesen Sie in diesem Meinungsstück.

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Schon vor Jahren haben Unternehmen erkannt, dass man mit Verkäufen von Produkten, auf denen die Regenbogenflagge prangt, Umsatz machen und das Image aufpolieren kann. Schließlich lässt Werbung mit Artikeln, die in den Farben des Regenbogens erstrahlen, ein Unternehmen gleich offener, progressiver und toleranter wirken. Oder? Ich, und viele andere, sagen: nö. 
Die Gegenstimmen von LGBTQIA+-Personen, die vom sogenannten „Rainbow Washing“ die Nase voll haben, waren in den letzten Jahren laut. Aus diesem Grund setzen einige Unternehmen diesen Pride Month statt auf Rainbow Washing auf andere, subtilere Marketing-Techniken. 

Rainbow Washing – was steckt hinter dem Begriff?

Bevor ich aber mehr darüber schreibe, welche Konsequenzen einige Beauty- und Fashion Brands jetzt (scheinbar!) aus den Social Media Shitstorms der letzten Jahre ziehen, erst einmal zurück zu den Basics. „Rainbow Washing“ – was ist das nochmal? Nach außen solidarisch, tolerant, kurz: „hui“. Und nach innen? Leider oft „pfui“. Das ist Rainbow Washing – kurz und knapp erklärt. Etwas ausführlicher und wissenschaftlicher ausgedrückt, umfasst Rainbow Washing einen Katalog bestimmter Marketing-Maßnahmen, die alle einen ganz bestimmten Zweck erfüllen sollen. Nämlich: (potenziellen) Zielgruppen zu signalisieren, dass ein Unternehmen sich für die Interessen und Belange von LGBTQIA+-Personen starkmacht. Oder sich zumindest mit ihnen solidarisiert. Das passiert allerdings nicht wirklich. 

Stattdessen passiert folgendes: 

  • Unternehmen färben ihre Logos in Regenbogenfarben ein. 
  • Sie hübschen ihre Slogans „Pride-geeignet“ auf. So wurde ein Lufthansa-Airbus letztes Jahr zum „Lovehansa“-Airbus. Laut eigenen Angaben ein Zeichen dafür, dass das Unternehmen für „Offenheit, Toleranz und Diversität“ stehe. 
  • Konzerne tauchen ihre Produkte in Regenbogenfarben oder vermarkten Althergebrachtes auf Internetseiten, die plötzlich in allen Farben des Regenbogens erstrahlen, unter einem „Pride Label“ (zwar nicht aus dem Beauty- oder Modebereich, aber trotzdem unvergessen: der „Pride Whopper“, den Burger King 2022 verkauft hat). 

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Die Mode- und Beauty-Industrie betreibt im Pride Month ordentlich Rainbow Washing

Auch die Mode- und Beauty-Industrie betreibt im Pride Month ordentlich Rainbow Washing. So bieten im Juni viele Labels zum Beispiel Sweatshirts und Tops an, die mit Schriftzügen wie „love is love“ oder „be proud“ verziert sind. Normalerweise graue Schuhsohlen sind auf einmal knallbunt. Lidschattenpaletten erstrahlen in Rot-Orange-Gelb-Grün-Blau-Violett. Selbst das Mizellenwasser zur Make-up-Entfernung schmückt auf einmal der Slogan: „Remove your make-up, not your pride“ (deutsch: „Entferne dein Make-up, nicht deinen Stolz“). 

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Das Ziel dieser Maßnahmen: die Außenwahrnehmung aufzupolieren, beziehungsweise das Unternehmens-Image aufzubessern. Denn ein positives Image kann auf die unterschiedlichsten Unternehmensziele einzahlen. So kann es zum Beispiel dabei helfen, ein Unternehmen in Zeiten des Fachkräftemangels für potenzielle Bewerbende attraktiver zu machen. Oder die Mitarbeitendenbindung der Angestellten erhöhen (was wiederum die Kosten, die beim Recruiting und der Einarbeitung neuer Mitarbeitender entstehen, senkt). Die Loyalität der Kundschaft zu einer Marke stärken. Die Absätze eines bestimmten Produkts erhöhen. Oder, oder, oder …  

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So weit, so (un)gut. Erstmal sind bunte Unternehmenslogos, catchy Slogans und bunte Sweatshirts ja nichts weiter als Logos, Slogans und bunte Sweatshirts. Warum genau ist Rainbow Washing also so problematisch? 

Äquivalent zum „Green Washing“: Warum Rainbow Washing ein Problem ist 

Beim Rainbow Washing betreiben Unternehmen viel Aufwand, um sich nach außen in ein positives Licht zu rücken. Und genau das ist das Problem: das „Außen“. Denn was „innen drin“, also im Unternehmen selbst, passiert, ist oft etwas anderes.  

Oft wird intern zum Pride Month und darüber hinaus nämlich wenig bis gar nichts getan, um für Chancengleichheit innerhalb von Unternehmen zu sorgen. Dafür, dass sich alle Mitarbeitenden gleichermaßen gehört, wohl und akzeptiert fühlen. Für ein Arbeitsumfeld, in dem Menschen einander respektieren und einander auf Augenhöhe begegnen – unabhängig von sexueller Orientierung und/oder Identität. Wenn Unternehmen während des Pride Month viel Geld in Marketing mit Regenbogenflaggen, Pride Floats und diversitätsunterstreichende Slogans stecken, darüber hinaus aber nichts tun, um wirklich inklusive Umfelder zu schaffen, ist das ein Problem.  

Kurz gesagt: Es reicht nicht, dass Unternehmen nur darüber sprechen, wie inklusiv, tolerant und offen sie sind – wer inklusive Arbeitsumfelder schaffen will, muss etwas tun.  

Unternehmen müssen grundlegend etwas ändern

So sollten Unternehmen, die Diversity wirklich „ernst nehmen“ zum Beispiel Anti-Diskriminierungs-Richtlinien etablieren, Mitarbeitende und Führungskräfte dazu verpflichten, an, bestenfalls von Personen aus der Community geleiteten, Trainings zu Anti-Diskriminierung teilzunehmen, ein Beschwerde- und Beratungssystem einrichten, um LGBTQIA+-Personen im Unternehmen zu schützen und so weiter. Die Liste möglicher Maßnahmen ist umfangreich. 

Um ihre Marketing-Maßnahmen zu legitimieren, ziehen Unternehmen, die Rainbow Washing betreiben, besonders während des Pride Month auch immer wieder einzelne Mitarbeitende nach vorne, damit diese sich als „Testimonials“ positiv über das Unternehmen und die dort (angeblich) herrschende LGBTQIA+-Freundlichkeit äußern – während andere von Diskriminierung betroffene Personen stillschweigend (und kopfschüttelnd) zuschauen und sich wundern, wo genau denn dieses „inklusive Arbeitsumfeld“ ist, mit dem Werbung gemacht wird.  

So viel steht nämlich fest: Ein inklusives Arbeitsumfeld ist eines, in dem alle gleichermaßen, und dazu zählen auch die Stillen, gehört werden – nicht nur die, die am lautesten schreien. 

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Doch damit nicht genug: Gesteigerte Umsätze, die durch das Rainbow Washing während des Pride Month generiert werden, kommen in vielen Fällen nur dem Unternehmen selbst zugute – und nicht zum Beispiel Organisationen, die sich für die Rechte und die Unterstützung von LGBTQIA+-Personen einsetzen. Solidarität und konkrete Unterstützung sehen anders aus.  

Solidarität bedeutet nämlich nicht (nur) darüber zu sprechen, dass man solidarisch ist. Sondern und vor allem: solidarisch zu handeln und zum Beispiel auch unabhängig vom Pride Month, das ganze Jahr über, an LGBTQIA+-Organisationen zu spenden. 

Rainbow Washing hat Konsequenzen – für Unternehmen 

Weil Rainbow Washing eigennützigen Zwecken dient, sind „Pride-Artikel“ von Unternehmen, die sonst nichts für LGBTQIA+-Personen tun, schon seit einiger Zeit und verständlicherweise kein Garant mehr für Begeisterungsstürme – weder von LGBTQIA+-Personen selbst noch von Allys, also „Verbündeten“. Stattdessen ernten Unternehmen in den sozialen Netzwerken immer öfter und berechtigterweise Häme, Spott und vor allem Kritik, wenn sie Rainbow Washing betreiben. 

Deshalb halten sich viele Unternehmen 2023 mit der Werbung für speziell auf Pride-gebrandeten Produkten zurück. Generell sind „Pride-Designs“ dieses Jahr dezenter. So setzt der Kofferhersteller „Away“ in seiner Kollaboration mit Queeraktivist*in Willie Norris auf monochrome Designs.  

Auf Instagram schreibt das Unternehmen: „[Willie Norris] kreiert in erster Linie für die Community – deshalb haben wir uns zusammengetan, um eine Capsule Collection mit Gepäckstücken zu entwickeln, die nirgendwo verkauft werden. Stattdessen wird die Kollektion Willies LGBTQ-Community geschenkt.“ 

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Einige Unternehmen betonen, dass der Erlös von „Regenbogen-Produkten“ LGBTQIA+-Hilfsorganisationen und -Beratungsstellen zugutekomme.  

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So wolle der Haarprodukt-Produzent Kérastase „100 % der Einnahmen“, die mit dem Verkauf von Kérastases „Elixir Ultime“ in der Pride Edition erzielt werden, spenden. Das entspräche, laut Hersteller-Angaben bei Instagram, einer „geschätzten Gesamtsumme von 90.000 € weltweit“, die an teilnehmende Organisationen gespendet werden sollen. In den USA sollen zum Beispiel 25.000 $ an das „Trevor Project gehen, eine NGO, die sich für suizidgefährdete LGBTQIA+-Personen im Jugendalter einsetzt.  

Das Unternehmen beschreibt dies als „echte Geste der Fürsorge und Unterstützung“ (Teil des Originalzitats: „(…) a true gesture of care and support”) – eine Aussage, die ich kritisch sehe. Schließlich ist Kérastase Teil des Megakonzerns L’Oréal, der 2022 laut eigenen Angaben einen Umsatz von 38,26 Milliarden € erwirtschaftet hat.  

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Andere, wie der Schuhhersteller Toms, schreiben in den sozialen Netzwerken, dass sie „das ganze Jahr über“ LGBTQIA+-Organisationen unterstützen. Möglicherweise um die potenzielle Kundschaft davon zu überzeugen, dass die neuen Schuhmodelle auf keinen Fall pünktlich zum Pride Month gelauncht wurden, um damit extra Einnahmen, die nur in das Unternehmen fließen, zu generieren.  

Das Unternehmen betont in einem Instagram-Post: „Toms unterstützt die LGBTQ+-Community das ganze Jahr über, indem wir mit Organisationen wie Brave Trails zusammenarbeiten, einem auf Jugendliche ausgerichteten Sommercamp, das ein auf junge Menschen zugeschnittenes Programm zur psychischen Gesundheit durchführt.“ 

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Andere Modelabels, darunter auch Luxus-Marken wie Jean Paul Gaultier, aber auch Sockenhersteller Happy Socks, investieren das ganze Jahr über in Werbung mit queeren Influencer*innen wie Richie Shazam oder „Ballroom Diva“ Naïmah Janse. 

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Trotz aller Spenden und wohltätigen Engagements ist Rainbow Washing weiterhin ein Thema und ein Problem, das es gilt, weiter zu thematisieren. Gemeinsam. 

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