Leiden Sie unter chronischer Erschöpfung, Konzentrationsstörungen oder Haarausfall – und haben Brustimplantate? Dann könnten Sie von der „Breast Implant Illness“ betroffen sein. Die Krankheit tritt im Zusammenhang mit Silikonimplantaten auf und bringt eine ganze Liste an unspezifischen Problemen mit sich. Das macht sie nur schwer diagnostizierbar. Was genau dahinter steckt, auf welche Symptome Sie achten sollten und was im Ernstfall zu tun ist, erklärt ein Experte im STYLEBOOK-Interview.
Übersicht
Brustvergrößerungen verlieren an Reiz. Das stellte der Beauty Impact Report von STYLEBOOK in den letzten Jahren heraus. So rutschte die Brustvergrößerung als gewünschte Schönheits-OP von Platz drei im Jahr 2021 auf Platz fünf in 2022. Statt 24 Prozent der befragten Teilnehmerinnen kam ein Jahr später nur noch für 20 Prozent eine Vergrößerung infrage. Das könnte an der immer populärer werdenden Selflove-Bewegung liegen oder auch daran, dass immer mehr Risiken der ästhetischen Operation bekannt werden. Neben einer Kapselfibrose oder einem Lymphom kann es auch zur sogenannten „Breast Implant Illness“ (BII) kommen, die es meist unumgänglich macht, das Brustimplantat zu entfernen.
Das könnte Sie auch interessieren: Die wichtigsten Ergebnisse des Beauty Impact Reports 2022
Das steckt hinter der „Breast Implant Illness“
Dr. med. Afschin Fatemi, Leiter und Gründer der Schönheitsklinik „S-thetic“ in Berlin erklärt, was es mit BII auf sich hat: „Breast Implant Illness beschreibt einen relativ unspezifischen Krankheitskomplex. Das heißt, Patienten bzw. meist Patientinnen können unter Konzentrationsstörungen, chronischer Erschöpfung, Brustschmerzen, die sich nicht näher klassifizieren lassen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Schlafstörungen, Angstzuständen oder Haarausfall leiden.“ Die Liste der Symptome ist lang und zeitlich unabhängig: „Die Themen können schleichend kommen und relativ zeitnah nach einer Brust-OP, aber auch erst nach Jahren auftreten.“ Das macht eine exakte Eingrenzung schwierig. „Es ist nicht wie bei einem grippalen Infekt, bei dem man weiß, welche Symptome dazugehören und dass es in einer Woche wieder weg ist. Die Symptome lassen sich nicht eindeutig auf die Implantation zurückführen, es kann auch eine andere Erkrankung dahinter stehen.“
Daher ist es wichtig, eine richtige Diagnostik durchführen zu lassen. Dazu sei der Operateur der erste Ansprechpartner, sagt Dr. Fatemi: „In solchen Fällen würde ich immer zuerst zum Operateur. Er sieht sich das an und leitet die Betroffenen dann gegebenenfalls weiter.“ Er warnt jedoch auch davor, in Panik zu verfallen: „Bei Symptomen sollten Sie nicht zum erstbesten Chirurgen laufen und schnell die Implantate loswerden wollen. Oft stehen rheumatische oder Auto-Immunerkrankungen dahinter. Erst wenn man hier nichts findet, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es am Implantat liegt.“
Aktuelle Artikel
„Breast Implant Illness“ noch nicht ausreichend erforscht
Doch auch das sei selten, erklärt der Schönheitschirurg. „Es gibt keine richtig harten Fakten dazu, da es noch zu wenig Forschung in diesem Bereich gibt. Ich selbst kenne die Breast Implant Illness nur von Kollegen, Kongressen und aus der Literatur. In meinen 20 Jahren in einer Ästhetiklinik kann ich mich an keinen solchen Fall erinnern.“ Studien dazu seien schwierig, da es selten vorkomme und die Symptome so unspezifisch seien. Allerdings seien heutzutage die Implantate auch besser, es komme seltener zum Auslaufen des Silikons, was ein Auslöser für eine Breast Implant Illness sein kann. „Woran es genau liegt, dass eine Breast Implant Illness auftritt, kann man nicht ganz eingrenzen. Eventuell daran, dass sich Silikon im Implantat selbstständig macht, ausläuft und so entzündliche Prozesse im Körper anschiebt. Allerdings findet man nicht bei allen Patientinnen Silikon in Blut oder Gewebe, sodass das nicht sicher belegt werden kann.“ Sollte es zu einer Breast Implant Illness kommen, werde eine En-bloc Resektion durchgeführt. „Dabei wird alles, was mit dem Implantat Kontakt hatte, herausgenommen, dann sollte eigentlich Ruhe sein.“

So beugen Sie einer „Breast Implant Illness“ vor
Eine Möglichkeit, einer Breast Implant Illness sicher zu entgehen, wenn Sie sich eine Brustvergrößerung wünschen, gibt es nicht. Doch Vorbeugung ist machbar, nämlich indem Interessentinnen vor der Schönheits-OP gründlich recherchieren: „Es beginnt bereits bei der Arztwahl. Gehen Sie unbedingt zu einem Facharzt. Ich würde mir jemanden aus dem gynäkologischen Bereich oder dem Gebiet der plastischen Chirurgie suchen. Dieser sollte hochwertige Implantate mit FDA-Siegel verwenden.“ Diese können Sie sich zeigen lassen und, sollte der Hersteller nicht von Expertenseite aus genannt werden, nachfragen. „In Deutschland gibt es eigentlich nur zwei bis drei Firmen, die Implantate in dieser Qualität anbieten können.“
Weiterhin empfiehlt der Arzt, sich über Alternativen Gedanken zu machen. „Man kann die Brust beispielsweise auch mit Eigenfett aufbauen. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass genug Fett vorhanden ist. Das ist ein deutlich sicherer Eingriff und hat weniger Nebenwirkungen, da die gesamte Fremdkörper-Thematik wegfällt, die mit Lymphomen oder Verhärtungen in Verbindung steht.“
Breast Implant Illness kann auch ohne Brustimplantate vorkommen
Doch nicht nur bei Brustvergrößerungen kann eine Breast Implant Illness auftreten. Auch bei Implantaten in Waden, Po oder Oberarmen ist eine solche Symptomatik möglich, erklärt Dr. Fatemi: „Wenn die Implantate aus demselben Stoff sind, ist es möglich, dass es auch bei Implantaten in anderen Bereichen vorkommt.“ Zusätzlich warnt er vor Po-Implantaten: „Kein seriöser Arzt würde das noch machen. Das Implantat unter dem Po-Muskel ist eine ganze andere Nummer als unter dem Brust-Muskel, da das Gewebe hier fester ist. Hierbei kommt es oft zu Komplikationen, die lange bestehen bleiben, weil die Implantate oft nicht dort bleiben, wo man sie hingelegt hat. Der ganze Eingriff ist wesentlich risikoreicher als eine Brust-OP.“
Auch interessant: Bye, Brazilian Butt Lift! Immer mehr Prominente lassen den Hype hinter sich
Quellen:
- Mit fachlicher Expertise von Dr. med. Afschin Fatemi, Gründer und Leiter der Schönheitsklinik S-thetic, Berlin
- Beauty Impact Report 2022
- Beauty Impact Report 2021