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Erziehungs-Phänomen

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Maternal Gatekeeping?

Mutter mit Kind auf dem Arm
Wenn die Bindung zwischen Mutter und Kind so eng ist, dass der Vater so gut wie keine Chance hat, wird vom „Maternal Gatekeeping“ gesprochen Foto: Getty Images
Marina Hoyer

04.03.2024, 19:50 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

Helikopter-Eltern, Latte-Macchiato-Mütter, Wochenend-Daddys – die Begriffe, die sich rund um das Thema Familienorganisation ranken, sind vielfältig. Darunter fällt auch das Phänomen des „Maternal Gatekeeping“. Noch nie gehört? STYLEBOOK erklärt, was sich dahinter verbirgt.

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Auf das mit Maternal Gatekeeping beschriebene Phänomen wurden Soziologen etwa in den 80er-Jahren aufmerksam, größere Bekanntheit erlangte das Konzept erstmalig im Jahr 1999 durch eine Studie von Sarah Allen und Alan Hawkin. Dabei stellten die Forscher fest, dass 21 Prozent der 622 Mütter aus der Stichprobe den Einfluss des Vaters auf die Erziehung sowie seine mit den Kindern allein verbrachte Zeit stark einschränkten.

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Was ist Maternal Gatekeeping?

Beim Maternal Gatekeeping wird der Vater also von der Eltern-Kind-Triade ausgeschlossen, stattdessen formt sich eine Mutter-Kind-Dyade geformt: Beide Elternteile ziehen nicht an einem Strang, vielmehr trifft die Mutter alle Entscheidungen bezüglich des Kindes alleine. Die Erziehung wird nicht als gemeinsame Aufgabe angesehen und nicht von beiden Elternteilen gleichberechtigt übernommen.

Zum Ausdruck kommt das beispielsweise über abwertende Kommentare seitens der Mutter, oft auch im Beisein des Kindes. Diese können entweder direkt („Was soll das denn schon wieder? Wieso hast du Emma so dick angezogen? Ich habe dir doch extra gesagt, dass es heute warm wird!“) oder auch indirekt („Arme Emma, du bist ja ganz verschwitzt, na kein Wunder, der Papa hat dich mal wieder viel zu dick angezogen, obwohl ich ihm das extra gesagt habe!“) erfolgen.

Nur Mama weiß, was am besten ist

Das bewusste Vorenthalten von Informationen oder Neuigkeiten im Leben des Kindes (z. B. Entwicklungsschritte, schulische Leistungen, Arztbesuche, Verabredungen, Anmeldung im Sportverein) können ebenfalls Teil des Maternal Gatekeeping sein. Gleichzeitig kann es aber auch einfach durch strikte Anweisungen zum Ausdruck kommen. Die Mutter vertritt dabei die Überzeugung, nur sie wisse, was das Beste für das Kind ist und wie die Dinge „richtig“ gemacht werden. Dem Papa wird dabei zu verstehen gegeben, dass seine Meinung nicht zählt. Vielmehr erhält er stattdessen genaue Instruktionen zur Planung und Ausführung bestimmter Aktivitäten.

Entscheidungsmacht liegt bei der Mutter

Welche Impfungen das Kind bekommt, ob es in die Kita oder zur Tagesmutter gehen soll, ob es zucker- und glutenfrei ernährt werden soll, um wie viel Uhr Schlafenszeit ist, dass es ab drei Jahren zum Mutter-Kind-Turnen, nicht aber zum Fußball gehen soll – all das entscheidet die Mutter alleine. Vertritt der Vater eine andere Ansicht, wird diese schlicht übergangen.

Wie kommt es zum Maternal Gatekeeping?

Beim Maternal Gatekeeping liegt die Versuchung nahe, die Verantwortlichen als Terrormütter oder Kontrollfreaks abzustempeln. Tatsächlich ist es aber eher so, dass Betroffene selbst unter der Dynamik leiden. Eine Studie zeigte, dass die mütterlichen „Türsteherinnen“ über kein ausreichendes Selbstbewusstsein verfügten. Durch eine besonders enge Mutter-Kind-Bindung versuchen sie, diesen Mangel zu kompensieren. Oft ist das Problem auch in der eigenen Kindheit begründet: Ist eine Frau selbst mit einer Gatekeeping-Mutter aufgewachsen, kann das Verhalten unbewusst übernommen werden.

Welche Auswirkungen hat Maternal Gatekeeping?


Tatsächlich kann Maternal Gatekeeping schwerwiegende Folgen haben. Das fehlende Vertrauen der Mutter führt dazu, dass dem Vater kaum Gelegenheit gegeben wird, seine Rolle auszufüllen. So entsteht ein Teufelskreis, in dem sich Väter immer machtloser und unsicherer im Umgang mit dem Kind fühlen. Oft resignieren sie und ziehen sich aus der Erziehung zurück, um Konflikten aus dem Weg zu gehen. In der Folge wird die Bindung zum Kind nachhaltig beeinträchtigt. Der gegebenenfalls wenig respekt- und liebevolle Umgang zwischen den Eltern macht es dem Kind zudem schwer, deren Beziehung als positives Vorbild einer funktionierenden Partnerschaft zu erfahren. Das kann zu dysfunktionalen Dynamiken in eigenen Beziehungen führen. Außerdem besteht beim Maternal Gatekeeping die Gefahr, dass veraltete Geschlechtervorstellungen vermittelt werden: Das Kind wächst in dem Glauben auf, Mütter seien für die Erziehung verantwortlich, während Vätern im Familienleben keine wichtige Rolle zukomme.

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Lässt sich entgegensteuern?

Am ehesten kann dem Maternal Gatekeeping in der Anfangsphase entgegengesteuert werden: Bemerken Väter erste Anzeichen, bietet es sich an, das Gespräch zu suchen. Dabei sollten der Mutter aber keinesfalls Vorwürfe gemacht werden. Vielmehr sollten betroffene Väter ihre Gefühle in sogenannten Ich-Botschaften zum Ausdruck bringen: „Ich fühle mich manchmal ausgeschlossen“, „Ich würde mir wünschen, eine aktivere Vaterrolle einzunehmen“ oder „Ich empfände es als schön, wenn wir mehr an einem Strang ziehen könnten.“ Besteht die Problematik schon länger oder zeigt die Mutter keine Einsicht, kann auch eine Paartherapie oder eine professionelle Beratung helfen. Noch besser ist jedoch immer die Prävention: Im Idealfall sprechen Paare bereits im Rahmen der Familienplanung über ihre individuellen Vorstellungen in Sachen Erziehung.

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Quellen:

  • Hauser, O. (2012). Pushing Daddy Away? A Qualitative Study of Maternal Gatekeeping. Qualitative sociology review
  • Allen, S. & Hawkins, A. (1999). Maternal Gatekeeping: Mothers‘ Beliefs and Behaviors That Inhibit Greater Father Involvement in Family Work. Journal of Marriage and Family
  • Gaunt, R. (2008). Maternal Gatekeeping: Antecedents and Consequences. Journal of Family Issues
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