
11. Juli 2025, 7:40 Uhr | Lesezeit: 8 Minuten
Caroline R. Kroll war noch Studentin, als sie gemeinsam mit ihrem Vater die Hautpflegemarke Nø Cosmetics gründete. Ihr Anspruch: Nicht nur die Formulierungen sollten strengen Prinzipien folgen – auch in der Geschäftsführung setzt Kroll konsequent auf Werte. STYLEBOOK hat mit der CEO über den Umgang mit Fehlern, ein Drogerie-Regal, das sie regelmäßig zur Weißglut treibt, und den allerwichtigsten Schritt in der Hautpflege gesprochen.
Wer schon einmal in der Drogerie nach Hautpflegeprodukten gesucht hat, ist ihr mit großer Wahrscheinlichkeit begegnet: der Marke mit dem markanten durchgestrichenen „o“, ausgesprochen wie ein deutsches „ö“. Trotz der auffälligen Typografie setzt Nø Cosmetics auf konsequenten Minimalismus – nicht nur im Verpackungsdesign, sondern auch in der Formulierung: Auf überflüssigen Schnickschnack wird bewusst verzichtet. Caroline R. Kroll gründete die Marke, die auch über einen eigenen Store in Berlin verfügt, im Jahr 2018. Wir blicken mit ihr auf sieben Jahre Nø Cosmetics zurück und erkennen schnell, dass das Durchsetzen in der Kosmetikbranche kein Kinderspiel ist – vor allem als junge Frau.
STYLEBOOK: Sie haben neben dem offiziellen Account @nocosmetics.de auch den Instagram-Account @behindnocosmetics-Account gestartet, der hinter die Kulissen der Marke blickt. Warum war Ihnen das wichtig?
Caroline R. Kroll: „Ich habe so einen Account selbst gesucht. Einen, der das Echte zeigt, nicht nur die perfekten Kampagnen, sondern das, was dazwischen passiert. Wenn mal etwas schiefläuft – etwa ein Rechtschreibfehler oder ein Produkt, das den Stabilitätstest nicht besteht – habe ich mich früher total verloren gefühlt. Ich wollte zeigen: Das passiert. Und wenn Leute verstehen, warum es zum Beispiel keinen neuen Launch gibt, dann fühlen sie sich mitgenommen.
Viele, auch aus großen Konzernen, sind auf mich zugekommen und haben gesagt, dass sie Ähnliches erleben. Als ich den Account gegründet habe und Fehler passiert sind habe ich Existenzängste bekommen und gedacht, dass es niemand anderem passieren würde. Dann habe ich das Ganze umgedreht und öffentlich geteilt – zum Beispiel, als unsere Vitamin-C-Creme nicht stabil geblieben ist. Wir mussten das Produkt einstampfen, obwohl es schon in einem Magazin abgebildet war. Statt so zu tun, als hätte es die Creme nie gegeben, habe ich in einem Statement-Video erklärt, wie es dazu kommen konnte und was der weitere Plan dieser Creme ist. Die Reaktionen waren so unterstützend – das tat total gut. Mittlerweile unterhalte ich mich total gerne mit Leuten darüber, was alles so schiefgeht.“
Sie sprechen auf dem Account auch offen darüber, wie es ist, als junge Frau in der Geschäftsführung zu sein. Würden Sie sagen, dass Geschlecht und Alter Ihnen Steine in den Weg gelegt haben?
„Vieles ist super gut gelaufen – da gehört Glück dazu, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und natürlich auch die richtigen Menschen. Mein Geschäftspartner Robert und mein Vater, mit dem ich gegründet habe, haben mich nie als zu jung oder unwissend abgestempelt – das war eine Riesenchance. Aber: Wäre mein Vater bei vielen Terminen nicht dabei gewesen, würden wir heute wahrscheinlich nicht hier sitzen. Es gab Situationen, in denen Leute aufstehen wollten, den Raum verlassen wollten, weil sie nicht mit mir sprechen wollten – ich war einfach nur da als junge, blonde Frau.
Stattdessen haben sie nur mit meinem Vater gesprochen, obwohl er mehrfach gesagt hat: ‚Das müssen Sie meine Tochter fragen.‘ Ich habe teilweise Fragen gestellt, und es wurde nicht geantwortet. Und das waren nicht nur Männer, sondern auch Frauen. Man denkt sich: Hey, du könntest meine Verbündete sein! Sie wollten auch sicher vor zehn, zwanzig Jahren gehört werden als Frau. Und ja, die Kosmetikbranche ist weiblich, aber in den Führungsriegen gar nicht so weiblich wie man denkt.“
Hatten Sie das Gefühl, die eigene Kompetenz immer wieder beweisen zu müssen?
„Ja, 100 Prozent.“
Haben Sie auch mal ans Aufgeben gedacht?
„Also, es gab auf jeden Fall Momente, wo ich ans Aufgeben gedacht habe, aber ich habe so einen enormen Rückhalt von meinem Vater, der mir geholfen hat. Natürlich gibt’s Momente, wo ich denke: ‚Das ist mir alles zu viel.‘ Ich mache das alles zum ersten Mal – ich habe vorher noch nie gegründet. So wie beim ersten Mal Muttersein macht man Fehler. Aber ich versuche, daraus zu lernen. Und ja: Diese Scheidepunkte braucht man im Leben, um besser zu werden.“
Fühlen Sie sich durch die Rolle als Mit-Gründerin und Geschäftsführerin unter Druck gesetzt, gerade weil Nø Cosmetics so werteorientiert arbeitet?
„Ja, auf jeden Fall. Ich habe inzwischen ein tolles Team, das mir auch ermöglicht, mal in Ruhe Urlaub zu machen. Aber Selbstständigkeit bringt immer Ängste mit sich. Ich denke oft darüber nach: Was ist, wenn das in ein paar Jahren nicht mehr funktioniert? Immerhin habe ich vielen Menschen durch ihre Anstellung versprochen, für sie da zu sein und für sie zu sorgen. Natürlich bestimme ich mit meinen Entscheidungen über die Zukunft von ganz vielen Leuten. Und gerade in der Kosmetikbranche geht es um etwas sehr Intimes – um Haut. Meine Community und Kund:innen bringen mir ein immenses Vertrauen entgegen. Das bedeutet viel Verantwortung. Natürlich spüre ich da Druck. Aber mein Team ist wirklich großartig.“
Nicht nur in der Personalführung, auch bei der Produktentwicklung folgen Sie klaren Prinzipien. Welche sind das?
„Wir wollen möglichst effektiv und transparent sein. Unsere Kalkulationen sollen nachvollziehbar bleiben. Außerdem arbeiten wir nachhaltig, vegan und tierversuchsfrei. Aber ganz wichtig ist uns auch der Balanceakt zwischen Wirksamkeit und Verträglichkeit. Es geht nicht nur darum, dass ein Produkt stark wirkt – das ist nicht immer das Beste für die Haut. Wir wollen wirklich etwas verändern, aber mit Sorgfalt. Und das Ganze zu einem guten Preis. Das ist unser Anspruch.“
Zudem sind alle Produkte von euch unisex, also nicht für ein bestimmtes Geschlecht gedacht. Wie kam es dazu?
„Mich stört das Grundkonzept, dass es ein Männerregal gibt, weil es impliziert, dass das andere ein Frauenregal ist. Es ist aber kein Frauenregal, es ist ein Hautpflege-Regal. Wir alle haben Haut und diese hat unterschiedliche Bedürfnisse. Ja, Männer- und Frauenhaut ist unterschiedlich aufgebaut. Trotzdem gibt es Männer mit öliger Haut, mit empfindlicher Haut, mit trockener Haut, mit Akne, und so weiter … Was mich am meisten gestört hat, war, dass es viele Produkte gab, die angeblich für jeden Hauttyp waren. Trockene Haut und öligere Haut sind so unfassbar unterschiedlich, dass das eigentlich nicht sein kann.
Und das Gleiche kam dann halt bei der Frage: Für wen machen wir das? Für wen ist die Skincare? Und besonders im Duo zusammen mit meinem Papa war das natürlich eine Pflege, die wir beide benutzen wollten. Wir wollten keine Pflege machen, bei der er oder mein Mann ausgeschlossen ist. Deswegen war das einer der Hauptpunkte: dieses Aufräumen mit dem Schämen – dass es Männern früher unangenehm sein könnte, an das Hautpflege-Regal zu gehen.“
Was hat es mit der Kampagne #PinkIsForEveryone auf sich?
„Vor dreieinhalb Jahren haben wir unsere Pink-Serie, wo jetzt auch unser neues ‚Daily Skin Guard Facial Mist‘ zugehört, gelauncht. Es war erst mal eine Creme und ein Serum. Und das haben wir unter dem Hashtag #PinkIsForEveryone gemacht. FÜr jedes verkaufte Produkt haben wr damals 50 Cent zur Seite gelegt und so insgesamt 38.000 Euro gesammelt. Diese Summe wurde anschließend gespendet, um die Ausbildung einer sehbehinderten Frau in taktiler Brustabtastung zu finanzieren. Und da haben wir uns dann mit dem Thema Brustkrebs befasst. Auch Männer können Brustkrebs bekommen. Und jetzt haben wir ja sogar eine Handballmannschaft, die in Pink für uns spielt. Keine Farbe hat ein Geschlecht – genauso wie Skincare kein Geschlecht hat.
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Wissen Sie, welcher Anteil an Frauen und Männer Ihre Produkte konsumieren?
„Das ist ein bisschen schwer zu sagen, weil sehr viele Frauen die Hautpflege für ihre Männer kaufen. Also in der Drogerie sind es würde ich sagen 80, 20. Ich glaube aber, dass es schon 70, 30 wäre, weil super viele Männer das von der Frau mit benutzen. Und ich glaube, das ist eine steigende Zahl. Gerade der Gen Z ist das nicht mehr unangenehm – ihnen ist es nicht peinlich, über Hautpflege zu sprechen. Sie wollen einfach gute Haut und tun, was dafür nötig ist. “
Wenn jemand neu mit Hautpflege starten möchte – was wäre Ihr wichtigster Tipp?
„Ganz klar: Sonnenschutz! 80 Prozent der Hautalterung entstehen durch die Sonne. Wenn du sonst nichts machen willst – wirklich gar nichts –, dann bitte nutze Sonnenschutz. Und zwar das ganze Jahr über, auch im Winter. Viele unterschätzen das, aber es gibt UVA- und UVB-Strahlen immer und überall. UVA-Strahlen lassen die Haut altern, UVB-Strahlen sorgen für Bräune. Und das Problem ist: Was wir uns wünschen, ist Bräune – was wir stattdessen bekommen, ist Hautalterung. Auch im Solarium. Es muss nicht der Sonnenschutz von Nø Cosmetics sein – der Beste ist der, der auch wirklich benutzt wird. Egal ob als Fluid, Spray oder transparent.“
Und was wäre Ihr zweiter Tipp?
„Abends abschminken und reinigen! Bitte geh nicht mit dem Schmutz des Tages ins Bett.“
Abgesehen von Hautpflege – was kann man Ihrer Meinung nach für die eigene Schönheit tun?
„Persönliches Wohlbefinden ist so wichtig. Sich selbst akzeptieren, sich selbst lieben, nicht ständig im Spiegel nach Fehlern suchen. Nicht an sich herumzupfen oder -drücken. Und vor allem: in den natürlichen Alterungsprozess vertrauen. Ich finde ehrlich gesagt, dass ich mit 29 besser aussehe als mit 19. Man darf lernen, dass Altern nichts Schlechtes ist – es gehört dazu, und man kann sich dabei immer weiter entwickeln.“