29. Mai 2025, 10:51 Uhr | Lesezeit: 4 Minuten
Wer Fan von Liebesromanen oder Romcoms ist, liebt dieses Spiel: Die Protagonistin trifft durch puren Zufall auf einen Kerl, in den sie sich früher oder später Hals über Kopf verlieben wird – und auch wir, die Leser und Zuschauer werden nicht umhinkommen, für diesen fiktiven Charakter zu schwärmen. Da malt man sich aus: „Hach, gäbe es das doch nur im echten Leben.“ Genau das bleibt seit einiger Zeit kein reines Gedankenspiel mehr, sondern wird auf TikTok, Instagram und Co. als neues Beziehungsideal stilisiert – mit Folgen …
Der Typ klingt zu schön, um wahr zu sein? Kein Wunder, er ist pure Fiktion. Auf TikTok schwärmen Frauen von ihren „Book Boyfriends“ – fiktiven Männern aus Liebesromanen. Was hinter dem Phänomen steckt, warum es mehr als nur Schwärmerei ist und was das mit realen Dating-Erfahrungen zu tun hat, lesen Sie hier.
Übersicht
Unter dem Hashtag „#bookboyfriend“ versammeln sich über 1,3 Millionen Beiträge. Einige sind Buchrezensionen, in den meisten aber erklären junge Frauen, warum sie auf der Suche nach einem Kerl wie aus einem ihrer Lieblingsbücher sind. Der TikTok-Trend, der primär bei der jungen Nutzergruppe der Gen Z zelebriert wird, spiegelt sich längst auch im Real-Life-Dating wider. Auf der Dating-App Tinder etwa hat die Erwähnung des Begriffs „Book Boyfriend“ in den Profil-Bios 2024 um 47 Prozent zugenommen – STYLEBOOK hatte nachgefragt. Im Februar dieses Jahres kam es zu einem erneuten Anstieg von 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Was ist ein „Book Boyfriend“?
Ein Book Boyfriend ist dabei keinesfalls real – und genau das macht ihn so begehrenswert. Der Begriff beschreibt gemeinhin eine männliche Romanfigur, die emotional verfügbar, verletzlich, stark, liebevoll und humorvoll zugleich ist. Kurz: Er verkörpert das Idealbild eines Partners.
Die sogenannten Book Boyfriends stellen das Gegenstück zu vielen realen Dating-Erfahrungen dar, mit denen Userinnen unter anderem auf Tinder, Bumble oder Hinge konfrontiert sind. Denn dort fehlt es zwischen platten Anmach-Nachrichten und Booty-Calls häufig an Emotionalität, Sicherheit und Kommunikation. Eben all das, was die fiktiven Romanfiguren vereinen – oder zumindest mit der Zeit entwickeln.
Book Boyfriend: Social Media ist voll mit dem Dating-Trend
In den Clips berichten meist junge Frauen mit leuchtenden Augen von ihren Lieblingscharakteren aus Romance-, Fantasy- oder New-Adult-Romanen. Immer wieder fallen Namen wie Rhysand (aus „Das Reich der Sieben Höfe“), Aaron Blackford, Love-Interest in „Spanish Love Deception“ oder Atlas Corrigan aus dem Roman „Nur noch ein einziges Mal“, der unter dem Titel „It Ends With Us“ 2024 in die Kinos kam. Sie wissen schon der Film, der die ganze Blake-Lively-Debatte zum Rollen bring.
Eins haben diese Figuren alle gemeinsam – zumindest aus der Sicht ihrer weiblichen BookTok-Fans: Sie kennen kein Ghosting, toxischen Beziehungsmuster sind ihnen fremd und sie geben keine halb garen Dating-Versprechen. Der Begriff ist nicht neu, aber erst durch TikTok und die BookTok-Community, in der sich junge Leserinnen und Leser über aktuelle Buchveröffentlichungen austauschen, wurde er zum viralen Trend.
Bereits 2017 veröffentlichte die US-amerikanische Autorin Claire Kingsley den namensgebenden Roman zum Dating-Phänomen. „Book Boyfriend“ wurde schnell zu einem Klassiker des Young-Adult-Genres und verkörpert den Inbegriff des fiktiven Schwarms.
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Book Boyfriend vs. Real Boyfriend: Ein Dating-Trend als Wunsch für die reale Welt?
Was auf TikTok nach Tagtraum klingt, ist oft eine Reaktion auf Frust in der realen Dating-Welt. Apps, One-Night-Stands und Kommunikationsverweigerung haben Spuren hinterlassen. Besonders auffällig: Die Book Boyfriends sind meist feministisch konnotiert, respektvoll und emotional intelligent – Eigenschaften, die viele in der realen Welt anscheinend vermissen.
Der Hype um Book Boyfriends wirft Fragen auf. Handelt es sich hierbei um eine romantisierte Realitätsflucht? Oder ist es eher als eine stille Kritik am Status quo moderner Beziehungen zu sehen? Wahrscheinlich von allem ein wenig. Wer sich in fiktive Figuren verliebt, tut das nicht, weil er oder sie mit der Wirklichkeit nicht klarkommt – sondern weil die Wirklichkeit zu wenig bietet. TikTok wird somit zur digitalen Wunscherfüllung.
Unsere liebsten (STYLE)Book Boyfriends

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Mehr als nur eine Schwärmerei
Der Book-Boyfriend-Trend ist insofern eine Antwort der Generation Z, die sich nach mehr Intimität auf Augenhöhe, Verbindlichkeit und emotionaler Sicherheit sehnt. In einer Welt, in der Liebe zunehmend durch Algorithmen vermittelt wird, stellt der Book Boyfriend eine Art digitales Manifest dar: So wünschen sich viele Frauen romantische Beziehungen – auch offline. Dass viele der BookTok-Charaktere aber auch problematische Charakterzüge aufweisen, wird jedoch oft ausgeblendet.
So führt etwa Atlas Corrigan aus „Nur noch ein einziges Mal“ eine durchweg missbräuchliche Beziehung zu seiner Partnerin Lily, die, als sie zusammen kommen noch minderjährig und sehr unsicher ist. Der „Book Boyfriend“-Trend auf TikTok ist zumindest kein oberflächlicher Hype, sondern eine kulturelle Spiegelung weiblicher Erwartungen und Sehnsüchte. Er zeigt, wie groß die Diskrepanz zwischen Fiktion und Realität geworden ist – leider.