
1. Juli 2025, 15:14 Uhr | Lesezeit: 7 Minuten
Wenn unsere Autorin an den Strand geht, fühlt sie sich unwohl. Das liegt aber nicht etwa daran, dass sie davon ausgeht, eine sogenannte Bikinifigur haben zu müssen. Oft wird das Unwohlsein von Frauen in Bademode darauf geschoben, zu hohe Ansprüche an den eigenen Körper zu stellen. Warum das nur bedingt stimmt.
Jede dritte Frau in Europa fühlt sich im Bikini unwohl, wie eine aktuelle Umfrage ergibt. Woran liegt das? Die Gründe könnten vielfältiger nicht sein, und einer ist trauriger als der andere.
Übersicht
- „Für junge Mademoiselles scheint es ein Horror zu sein, ein Badekleid oder Bikini zu tragen“
- Die Gründe für Unwohlsein in Bademode sind vielfältig
- 1. Das Problem der unpassenden Bademode
- 2. Das Märchen von der „Bikinifigur“
- 3. Der Male Gaze
- Meine perfekte „Bikinifigur“: Was ich mache, um mich wohler zu fühlen
„Für junge Mademoiselles scheint es ein Horror zu sein, ein Badekleid oder Bikini zu tragen“
Ich finde es wirklich großartig, wenn wissenschaftliche Untersuchungen zum Wohlbefinden von Frauen gemacht werden. Schließlich war das lange (lange, lange!) kein Gegenstand solcher Studien. Jetzt bin ich auf eine Studie gestoßen, die das Wohlbefinden von Frauen in Bademode ausgewertet hat. Doch schlauer bin ich nach dem Lesen nicht.
Eine aktuelle, repräsentative Umfrage von YouGov im Auftrag von Galaxus ergab, dass sich jede dritte Frau in Europa im Bikini oder Badeanzug unwohl fühlt. Die Zahl der befragten Frauen dürfte etwa bei der Hälfte der Teilnehmenden, also zwischen 2.600 und 2.700, liegen. Insgesamt beantworteten 5.263 Personen die Umfrage. Am wenigsten wohl fühlen sich die Französinnen zwischen 15 und 29 Jahren. In dem Artikel zur Studie heißt es: „Besonders für junge Mademoiselles scheint es Horror zu sein, ein Badekleid oder einen Bikini zu tragen: Die 15- bis 29-jährigen Französinnen verzeichnen mit 2.5 den niedrigsten Wert aller befragten Personengruppen. Die gleichaltrigen Monsieurs kommen auf 3.3.“
Die Gründe für Unwohlsein in Bademode sind vielfältig
Mir fällt einiges beim Lesen der Studie auf. Zum einen ist es eine „europaweit“ durchgeführte Studie. Das heißt, Teilnehmende sind lebhaft in der Schweiz, Deutschland, Österreich, Italien und Frankreich. Beim Auslassen von Ost- und Nordeuropa sowie der iberischen Halbinsel sollte man also vorsichtig dabei sein, zu zitieren, dass sich jede 3. Europäerin in Bademode unwohl fühlt. Es fehlt ein beachtlicher Teil.
Außerdem – und hier kommen wir zum größten Manko an der Sache – fehlt die Begründung, warum es zu diesem Unwohlsein kommt. Sind die befragten Frauen genervt vom Bikini, weil er unangenehm zwickt? Sich die Träger beim Wellenreiten gerne mal lösen? Ist es ihnen peinlich, sich zu zeigen, da sie dem Mythos der „Bikinifigur“ hinterherrennen? Nerven sie Dellen, ungleichmäßige Bräune, Rückenakne, Beinhaare? Oder ist es das Unwohlsein, weil sexualisierende Blicke einem das Wohlfühlen im eigenen Körper nicht gönnen? Die Gründe könnten nicht vielfältiger sein, und die Studie klärt sie nicht auf. Daher wage ich einen Versuch.
1. Das Problem der unpassenden Bademode
Die Marke Mooniac bringt Bademode für alle Körpertypen heraus. Denn oftmals findet man in herkömmlichen Läden nur Modelle, die für einen heteronormativen Körper designt wurden. Kleine Brüste und ein kleiner bis mittelgroßer Po finden häufig ihren Weg zur perfekt sitzenden Bademode. Für eine große Oberweite gibt es meist nur Entwürfe in altmodischen Designs, was Gründerin Leila Lowfire dazu brachte, selbst moderne Bikinis und Badeanzüge zu designen. Auf der Website des Shops schreibt sie: „Der Sommer ist meine Lieblingszeit, aber er hat auch seit meiner Jugend einen bitteren Beigeschmack. Ich wollte mit Mooniac ein Label erschaffen, das Menschen diese Sorgen nimmt, indem es alle Körperformen einschließt.“
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2. Das Märchen von der „Bikinifigur“
Eine zweite Begründung für das Unwohlsein gerade junger Frauen in Bikinis könnte sein, dass sie sich unter Druck gesetzt fühlen. Nicht nur in den toxischen 90er-Jahren und 2000ern wurde einem das Dünnsein als goldener Schlüssel zum Glück verkauft, auch heute wird für Fitnessprogramme geworben, die den perfekten „Summer Body“ versprechen. Da frage ich mich: Was ist bitte ein „Sommerkörper“? Was ist eine „Bikinifigur“? Natürlich habe ich ein Bild im Kopf. Auch ich habe in den letzten Jahrzehnten tagtäglich Medien konsumiert und konnte der Konstruktion des angeblich perfekten Frauenkörpers nicht entkommen. Aber wenn ich im Juli an den Schlachtensee in Berlin gehe, sind da lauter Körper im Sommer, und davon sieht kaum einer so aus, wie es mir seit meiner Kindheit verkauft wurde.
Ist die „Bikinifigur“ also eine reine Märchenerzählung? Das wäre fatal, schließlich ist dieses Ideal, welches für glatte, rasierte Haut und einen dünnen Körper steht, doch der Grund, aus dem wir Unsicherheiten hegen. Und es sind – wie ebenfalls aus der Studie hervorgeht – größtenteils junge Frauen, die davon beeinflusst werden. Paradox, schließlich entsprechen sie doch am ehesten diesem Schönheitsideal, oder?
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Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Frauen zwischen 15 und 29 Jahren mit der zunehmenden Digitalisierung aufgewachsen sind und damit am Überfluss an Bild und Video von klein auf teilhaben. Auch ich gehöre dazu. Das Konsumieren von gephotoshoppten Medien hat in uns eine Sehgewohnheit geschaffen. Es gibt ein vorherrschendes Schönheitsideal: schlank und jugendlich. Und wenn wir selbst von diesem abweichen, finden wir Makel – und uns automatisch hässlich.
Meine Oma ist nichts davon, und trotzdem geht sie einmal in der Woche in eine Wellnesstherme und zieht vor einer Großzahl an Menschen blank, während sie von Sauna zu Sauna flaniert. Ich habe da keine Lust drauf, obwohl ich schlanker und jugendlicher als sie aussehe und saunieren mag. Sie hat sich mit ihrem Körper abgefunden, ihr Altern akzeptiert. Sie ist freier. Nicht nur, weil sie mit steigender Lebenserfahrung und Reife ein gesundes Selbstvertrauen gewonnen hat, sondern auch, weil sie von etwas befreit wurde – und zwar dem Male Gaze.
3. Der Male Gaze
Der Begriff des Male Gaze („männlicher Blick“) wurde von Laura Mulvey, einer britischen Filmtheoretikerin, ins Leben gerufen. Mitte der 1970er Jahre nahm sie Hollywood-Filme von männlichen Regisseuren wie Alfred Hitchcock in den Blick, und zeigt, dass Frauen durch die Brille von Männern stets ästhetisch, passiv und sexualisiert gesehen werden. Dies passiert jedoch nicht nur im Film, sondern auch in der realen Welt. Um bei unserer Studie zu bleiben, beispielsweise am Strand.
Fühle ich mich am Strand in meinem Bikini unwohl, liegt es hauptsächlich an den sexualisierenden Blicken der Männer. Entschuldigen Sie die Generalisierung, aber anders komme ich an dieser Stelle nicht aus. Mein Gefühl hat sich aufgrund von wiederholter Erfahrungen mit Angegafft- und Angefasstwerden auch generalisiert. Es ist dabei egal, welche Intentionen wirklich hinter den Blicken und Annäherungen stecken. Unwohlsein lösen sie in mir immer aus. Denn nackte Haut bedeutet in unserer Gesellschaft grundsätzlich gleich eines: Sex. Doch dass nackte Haut am Strand auch einfach heißt, dass ich es liebe, mich zu baden und bräunen, ist bei vielen noch nicht angekommen.

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Meine perfekte „Bikinifigur“: Was ich mache, um mich wohler zu fühlen
Wenn ich mir einen imaginären Strand ausmale, an dem sich nur meine Freundinnen und ich befinden, würde ich mich um ein weites wohler fühlen und viele Sorgen augenblicklich verschwinden. Meine Cellulite wäre mir egal, mein Bikinioberteil würde mich nicht nerven, da ich vermutlich gar keins tragen würde und Angst hätte ich keineswegs. Da dieser Strand jedoch nur in meiner Einbildung existiert, sollten wir als Gesellschaft (und da beziehe ich alle Menschen, unabhängig vom Geschlecht ein) einiges tun, um uns gegenseitig dieses Gefühl zu geben.
Was wir konkret machen können? Uns an die eigene Nase fassen. Unsere Sehgewohnheiten zu ändern, indem wir nach links und rechts schauen, statt auf den Bildschirm oder Werbeplakate. Uns nicht einschüchtern lassen, nur, weil wir uns halbnackt nicht perfekt finden. Den Freibadbesuch am Sommertag auf keinen Fall absagen, sondern mit einer Person dahin gehen, mit der man unabhängig von externen Faktoren auf jeden Fall Spaß hat. Bademode kaufen, in der man sich sicher und wohlfühlt. Und bei unangenehmen Blicken zurück glotzen, oder es ansprechen. So wird der Male Gaze enttarnt und langfristig behoben.