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Aus der Sicht des Mannes

Male Gaze und Female Gaze – das steckt hinter den Phänomenen

Male Gaze – oder auch: Aus dem sexualisierten Blick eines Mannes
Male Gaze – oder auch: Aus dem sexualisierten Blick eines Mannes Foto: Getty Images
Desireé Oostland
Autorin bei STYLEBOOK

15.11.2023, 17:32 Uhr | Lesezeit: 5 Minuten

„Male Gaze“ war einst ein Begriff aus der feministischen Filmtheorie, der den männlichen Blick auf weibliche Figuren beschrieb. Der Gegenentwurf lautet „Female Gaze“. Was dahinter steckt und wie beide Phänomene noch heute das Dating-Leben beeinflussen, lesen Sie bei STYLEBOOK.

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Der männliche Blick, durch die Augen eines Mannes oder auch: geschrieben von einem Mann. Das beschreibt den Male Gaze in der Film- und Fernsehindustrie. Was zunächst weniger problematisch klingt, führte aber auch zu drastischen Auswirkungen und einer falschen (Selbst)Wahrnehmung von Frauen.

Was bedeutet „Male Gaze“?

Male Gaze ist ein Begriff, der überwiegend aus der feministischen Filmtheorie stammt und von der Filmtheoretikerin Laura Mulvey geprägt wurde. Hinter „Male Gaze“ steckt das Phänomen, dass Filmemacher, also Männer, ihre Filme aus einem sexualisierenden Blick heraus schrieben und produzierten. Wenn Frauenkörper oder weibliche Figuren in den Filmen auftauchten, dann diente das hauptsächlich dazu, die Lust der Männer beim Schauen zu erregen. Die Frau wurde dadurch objektifiziert. Noch heute ist Male Gaze leider präsenter, als man denkt.

Jüngst werden auf TikTok und Co. Handlungen, Verhaltensweisen und Darstellungen mit den Worten „Written by a Man“ beschrieben – genau das sagt der Male Glaze aus. Vorwiegend sind das Darstellungen, die die Frau sexualisieren und auf ihr Äußeres reduzieren, wohingegen der Begriff „Written by a Woman“ positiv behaftet ist. Damit werden oftmals Männer beschrieben, die sich Frauen gegenüber vorbildlich, charmant und höflich benehmen. Nicht nur im Film, auch in Büchern und jeglichen visuellen Medien wurde der Male Gaze immer präsenter – und entsprechend immer problematischer.

Male Gaze – ein Teil der früheren Popkultur

Der Male Gaze zeigte sich vorwiegend dann, wenn Frauen für Werbung fotografiert, für Filme gefilmt oder für Bücher beschrieben wurden. Sie wurden dafür gern so präsentiert, dass so viele Körperteile wie möglich zu sehen sind. Wenn es um einen Dialog zwischen Frau und Mann ging, dann wurde der Mann beim Sprechen mit dem Gesicht gezeigt, während bei der Frau der Körper abgefilmt wurde. Nicht nur die stereotype Darstellung von Frauen macht den Male Gaze so gefährlich, sondern auch die Auswirkungen im Alltag für Frauen.

Male Gaze beim Dating

Denn wenn Frauen sich bei der Auswahl der Kleidung oder gar des Make-ups nach dem Geschmack des Mannes richten, statt dem eigenen Geschmack zu folgen, dann kann das auch eine Form der Auswirkungen von Male Gaze sein. Wenn die Frau sich gern viel schminkt, aber weiß, dass der Mann sich angezogen fühlt, wenn man ihr Make-up kaum sieht, dann richtet sie es nicht zu selten nur nach seinem Geschmack aus. Umgekehrt wird genau dieses Verhalten von der Frau gesellschaftlich auch erwartet.

Ebenso verhält es sich mit Kleidung. Haben Sie sich schon einmal nach einem gemütlichen Look gesehnt, sich aber dann doch in einen engen Fummel geschmissen, weil Sie überzeugt waren, dass der Mann genau das sehen möchte und bevorzugt? Genau dann steht in romantischen Beziehungen oder alltäglichen Situationen die männliche Perspektive im Vordergrund. In dem Fall ist der Geschmack des Mannes wichtiger als der eigene.

Male Gaze am Beispiel

Es gibt ganz einfache und auf den ersten Blick unaufgeregte Beispiele von Male Gaze. Seien es die hohen Pumps im Bett oder die großen Männerhemden am Morgen danach, die hochgesteckten Haare beim Sex oder der lüsterne Blick in jeglichen Alltagssituationen. Oftmals sind das Filmereignisse, die Männern kreiert haben mit Szenen, die sie sich wünschen würden. Im Laufe der Zeit haben sich diese Bilder jedoch so festgesetzt, dass Männer – und auch Frauen – der festen Überzeugung waren, das entspräche der Realität und müsse so sein.

Ein weiteres, viel diskutiertes Beispiel ist das Buch „Lolita“ von Vladimir Nabokov. Ein Roman, der für seine starken Kontroversen gelobt wurde – und von einem Pädophilen handelt. Das Buch wird als „einer der besten Romane des 20. Jahrhunderts“ gelobt.

Die Frau, in dem Fall das Mädchen, gilt als hilflos, unterwürfig, als ein Objekt, das von der Hauptfigur „benutzt“ wird – hätte auch eine Frau einen solchen Roman geschrieben? Der männliche Blick zeigt sich in diesem Kontext gewalttätig und grenzüberschreitend. All das wirkt sich auf die weibliche Figur aus.

*Es heißt natürlich nicht, dass alle Männer einen sexualisierenden Blick auf Frauen haben. Es geht hier um den Ursprung des Begriffes und dessen Auswirkungen.

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Was beschreibt den Female Glaze?

Wie so vieles, was in der Filmindustrie hinterfragt wurde, entwickelten auch immer mehr Filmemacherinnen ein Bewusstsein für diese Problematik des Male Gaze. Als Antwort schufen sie eine Art Gegenentwurf, den Female Gaze. Sie stellten den Mann aus der Sicht der Frau dar. Auch das kann fraglich werden, wenn Frauen sich an Klischees bedienen, doch zur Überraschung taten und tun das die wenigsten Frauen.

Kreieren Frauen Figuren, dann sind sie oftmals deutlich vielschichtiger, lustiger und viel weniger oberflächlich. Doch auch hier gibt es Variationen, bei denen der Mann nicht ganz so gut wegkommt. Und wenn Male Gaze zu Female Gaze wird, sehen viele Kritiker einfach die Verschiebung eines Problems, statt einer Bewältigung. Der neutrale Blick, ohne jegliche Stereotypen und Klischees, würde somit am besten funktionieren – im Film und im Alltag.

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