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Gynäkologen-Interview

Das sagt der AMH-Wert über die Fruchtbarkeit der Frau aus

Kinderwunsch? Dann sollte der AMH-Wert beobachtet werden.
Kinderwunsch? Dann sollte der AMH-Wert beobachtet werden. Foto: Getty Images

09.02.2024, 06:12 Uhr | Lesezeit: 6 Minuten

Zu alt für ein Kind? Frauen, die Bedenken haben, ob eine Schwangerschaft aufgrund ihres Alters noch infrage kommt, kennen vielleicht ihren AMH-Wert. Denn das sogenannte Anti-Müller-Hormon soll Rückschlüsse auf die Eizellenreserve im Körper der Frau geben. STYLEBOOK fragt bei Expertin Dr. med. Daniela Bach – Frauenärztin und Health-Coach – nach, was der AMH-Wert für eine (späte) Schwangerschaft genau bedeutet.

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Das Anti-Müller-Hormon ist ein Marker für die Anzahl der noch vorhandenen Eizellen in den Eierstöcken. Doch nicht der AMH-Wert allein ist wichtig für Frauen mit Kinderwunsch und sollte immer nur Teil einer ganzheitlichen Diagnose sein. Denn „den AMH-Wert als ‚Fruchtbarkeitstest‘ zu beschreiben, wäre fatal“, warnt Dr. Bach

Wann und wo bildet sich das Anti-Müller-Hormon?

Seinen Namen verdankt das Anti-Müller-Hormon, kurz AMH, seiner Funktion in der Embryonalentwicklung: die Bildung der Geschlechtsorgane in der frühen Entwicklungsphase (8. Schwangerschaftswoche). So führt das Hormon bei männlichen Embryonen zur Rückbildung der Müller-Gänge und folglich zur Entwicklung der männlichen Geschlechtsorgane. Bei weiblichen Embryonen wird hingegen durch die Abwesenheit von AMH der Uterus, das Vaginalgewölbe und die Eileiter gebildet. „Erst ab der Pubertät bilden dann die Granulosazellen in den reifungsfähigen Follikeln des Eierstocks das Anti-Müller-Hormon. Somit bietet der Wert einen möglichen Rückschluss auf die ‚follikulären Reserven‘ der Frau“, erklärt Frauenärztin Bach.

Wichtig zu wissen: Männer können während ihres ganzen Lebens immer wieder frische Spermien „produzieren“. Bei Frauen hingegen ist die Eizellreserve limitiert. Denn Frauen kommen bereits mit einer gewissen Anzahl an Eizellen zur Welt. „Dieser Vorrat schrumpft dann kontinuierlich, bis er irgendwann erschöpft ist“, betont Dr. Bach. Davon abhängig ist auch der AMH-Wert, der mit zunehmendem Alter und schrumpfender Eizellenreserve gleichermaßen sinkt. 

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Wann testet man den AMH-Wert?

Gewisse Indikationen, vor allem bei Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch, veranlassen die Bestimmung des AMH-Werts. Darüber hinaus kann ein Vergleich der Werte auch zur Beurteilung der ovariellen Reserve einer Patientin vor oder nach einer Chemotherapie sinnvoll sein. Doch in erster Linie wird das AMH vor dem Start einer Kinderwunschbehandlung mit hormoneller Stimulation getestet. „Vor allem auch, um das Risiko einer möglichen Überstimulation abschätzen und einschränken zu können“, so Dr. Bach. 

Dabei ist der AMH-Wert weitestgehend stabil und zyklusunabhängig. Eine Metaanalyse von Studiendaten aus dem Jahr 2022 gibt jedoch Grund zur Annahme, dass der AMH-Wert in der Follikelphase am höchsten sei. Tests während der Lutealphase ergaben hingegen schwankende Ergebnisse, die bis zu elf Prozent Variation zeigten. Die Publikation wurde aber 2023 aufgrund methodischer Unzulänglichkeiten zurückgezogen, doch auch laut Dr. Bach „erscheint die Bestimmung des AMH in der Follikelphase trotzdem sinnvoll“.

Wo liegt ein „normaler“ Wert?

Die AMH-Normwerte für fertile Frauen finden sich zwischen 1 und 8 Mikrogramm pro Liter. Ein erhöhter AMH-Wert von über 8 ist ein Hinweis für das PCO-Syndrom. Bei Werten zwischen 1 und 0,4 wird von „eingeschränkter Fertilität“ gesprochen. In diesem Bereich wird von einer eingeschränkten ovariellen Funktionsreserve ausgegangen, mit einer schlechten Resonanz auf Stimulation im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung. Als Folge wird Frauen dann eine höhere Dosis an follikelstimulierenden Hormonen verschrieben. Werte unter 0,4 weisen eine deutlich eingeschränkte Ovarfunktion und Fertilität auf. 

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Doch der AMH-Wert allein ist nicht ausreichend, um eine Vorhersage für die Baby-Take-Home-Wahrscheinlichkeit einer Kinderwunschbehandlung abzuliefern. 

Was sagt der AMH-Wert über die Qualität der Eizellen aus?

„Während die AMH-Werte gewisse Rückschlüsse auf die ovarielle Reserve zulassen, geben sie keinen Hinweis auf die Eizellqualität oder weitere Fertilitätsfaktoren wie etwa die Eileiterdurchgängigkeit“, schildert Dr. Bach und warnt davor, die Ermittlung des AMH-Werts als Fruchtbarkeitstest zu sehen: „Das wäre fatal.“ Denn für den Eintritt einer Schwangerschaft reicht ein einziger Eisprung aus und der ist „auch bei stark eingeschränkter ovarieller Reserve möglich“. Im Umkehrschluss ist ein niedriger AMH-Wert auch kein Freifahrtschein für unverhüteten Geschlechtsverkehr. Der AMH-Wert sinkt zwar mit zunehmendem Alter der Frau, aber es gibt eine Vielzahl an weiteren Faktoren, die den AMH-Wert beeinflussen: Orale Kontrazeptiva, ein PCO-Syndrom oder Nikotinkonsum.

Wie kann der AMH-Wert positiv beeinflusst werden?

Leider kann der AMH-Wert nicht durch externe Faktoren, wie Bewegung, Meditation, gesunde Ernährung und Verzicht auf Alkohol positiv beeinflusst oder wieder erhöht werden. Gleichwohl hilft laut Dr. Bach aber zum Beispiel der Verzicht auf Nikotin, um den AMH-Wert nicht unnötig schnell absinken zu lassen. Auch Feinstaub und Luftverschmutzung haben einen negativen Einfluss auf den AMH. 

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Was tun bei niedrigem AMH-Wert und Kinderwunsch?

Der AMH-Wert wird idealerweise immer als Teil einer Gesamtanalyse betrachtet. Vor allem bei unerfülltem Kinderwunsch und einem niedrigen AMH-Spiegel sollten Kinderwunschexpert:innen zurate gezogen werden. 

Doch Ausnahmen gibt es immer, weiß auch Dr. Bach und erzählt von einer glücklichen Patientin aus ihrer Praxis: „Gerne erinnere ich mich an eine Situation, die ich selbst erlebt habe, als eine meiner Patientinnen zur Besprechung ihres AMH-Wertes in meine Praxis kam. Ich hatte mich nach Sichtung ihres Laborwertes seelisch und moralisch bereits darauf eingestellt, ihr erklären zu müssen, dass wir die Kinderwunschklinik mit ins Boot holen müssten. Dann nahm sie mir gegenüber Platz und strahlte über das ganze Gesicht. Noch bevor ich etwas sagen konnte, brach es vor Glück aus ihr heraus: ‚Frau Dr. Bach, ich bin schwanger!‘ So viel zum AMH-Wert allein.“

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